mvdHere’s an interview in German language for MEMI Musicbase. Mijk talks frankly about his new album Everyground, his musical origins and how he works in his studio, all in German language.

Mijk van Dijk im Interview

In diesen Tagen erscheint mit “Everyground” das aktuelle Album von Mijk van Dijk. Timo Hummel hatte die Gelegenheit, den Techno-/House-KĂĽnstler in seinem Berliner Studio exklusiv fĂĽr MEMI zu interviewen.
Hallo Mijk,
fangen wir doch mal ganz am Anfang an: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
Mijk: Durch die Gitarre. Zuerst habe ich habe angefangen, Gitarre zu lernen und habe dann in einer Band gespielt. Da ich von drei Gitarristen der Schlechteste war, ging das so, dass der beste Gitarrist Lead spielen durfte, der zweitbeste Rhythmusgitarre und der Schlechteste musste Bass spielen. So bin ich dann zum Bass gekommen.Später bin ich nach Berlin gezogen. Mich hat es immer genervt, mit Bands zusammenzuspielen. Die richtige Band zu finden, in der alle das gleiche wollen, ist fast unmöglich. Insofern hat mich auch schon frĂĽh elektronische Musik interessiert, also angefangen von Kraftwerk ĂĽber Kevin Saunderson, Depeche Mode, Soft Cell bis hin zu all dem, was mit der elektronischen Wave-Musik passiert ist.Ich stand sehr auf Funk, gerade auch elektronische Funkgeschichte, und wollte sowas in der Richtung produzieren. Zu der Zeit, Mitte der 80er, wurden elektronische Instrumente auch langsam fĂĽr Normalsterbliche erschwinglich und so habe ich mir dann einen alten Yamaha cx5m Computer gekauft. Der hatte 32Kbyte Arbeitsspeicher, ein eingebautes FM-Modul mit 8 monophonen Stimmen und einen kleinen Sequencer, und damit konnte man dann schon richtig Musik machen. Dazu kamen noch eine Drummachine und der erste eigene Sampler.Dann habe ich 1988 einen Freund ĂĽber eine Kleinanzeige kennen gelernt, und da haben wir unser Equipment zusammengeschmissen und gleichzeitig auch die Housemusik entdeckt. Dann haben wir gesagt: House, das ist es. So muss es sein. Das war fĂĽr mich irgendwie die Weiterentwicklung bzw. die Minimalisierung von Disco und elektronischer Funkmusik. Straight, ohne Gimmicks, einfach nur der Groove, sehr funktional. Dadurch bin ich dann auf House hängen geblieben. Ich habe damals noch Hiphop mit einer Rapperin produziert, aber eigentlich war dann immer House und Techno unsere Linie.In Berlin war es dann ab 1990 so, dass wir eigentlich immer härter werden wollten. Es war damals echt ein Wettbewerb: Wer macht die härtesten Platten? Eigentlich haben damals noch nicht sonderlich viele Leute Platten gemacht, sondern es ging eher darum, welcher DJ die härtesten Sets spielt. Ich rede jetzt von Geschwindigkeiten um 135 bpm, das war damals irre wahnsinnig schnell.In dieser Phase habe ich dann auch meine erste Single bei Low Spirit unter dem Projekt “Loop Zone” herausgebracht. 1991 kam dann das Label Bash Records mit Tanith zusammen. Da habe ich dann die Produktionen von Tanith co-produziert und meine eigenen Loopzone-Produktionen fortgefĂĽhrt. Das Label Bash gibt es jetzt ĂĽbrigens auch wieder als “Bash Again”, dort habe ich mittlerweile auch schon einige Remixe veröffentlicht.

1992 war dann das Jahr, in dem mir der ganze harte Techno ein wenig auf den Senkel ging, vor allem weil ich auch Stücke gemacht habe, die ein wenig melodiöser waren. Da habe ich Kontakte zu dem Label MFS Records bekommen. Da kamen dann die Projekte Microglobe und Mindgear raus. Zu der Zeit war das gerade so, dass alle möglichen Leute, allen voran Cosmic Baby und Dominic Woosey von Neutron 9000, angefangen haben, melodischeren Techno zu produzieren.

In Frankfurt kam das auf mit den ganzen Sachen, die Dag aufgelegt hat, mit den ersten Platten von Resistance D, EyeQ und Harthouse. Das war der Aufbruch, wo man nach mehr Melodie im Techno suchte. Früher ging es darum, verspulte Sounds zu bringen, die einen in andere Sphären bringen, monotone Cluster und Arpeggios.

Das Label Pot Communications aus Frankfurt war damals eines der damals fĂĽhrenden Trancelabels, aber wenn man das heute hört, wĂĽrde man nie mehr sagen, dass das Trance sei. Man wĂĽrde vielleicht sagen, das ist verspulte Musik. Trance heutzutage ist ein Wort fĂĽr Techno-Pop mit Ravesignalen. Im Grunde ist das, was heute als Trance läuft, fĂĽr mich “Post-Rave”.

1992 kam dann MFS, 1993 wurde das Label Superstition in Hamburg aus der Taufe gehoben. Die Jungs kenne ich auch schon seit 1989, die kamen oft nach Berlin zum Feiern, und wenn in Hamburg was gutes lief, bin ich auch öfters mal dorthin gefahren. Als die dann ihr Label gegrĂĽndet haben, hatte ich gerade mit Marcos Lopez die erste Marmion Platte produziert, wo auch das StĂĽck “Schöneberg” mit drauf war, was ein ziemlich groĂźer Hit wurde. Das haben wir dann bei Superstition rausgebracht und das Label hat auch gleich gut gezĂĽndet. FĂĽr Superstition arbeite ich nach wie vor, auch die neue LP “Everyground” kommt auf Superstition raus, weil man mit den Jungs gut arbeiten kann. Sie arbeiten zuverlässig, zahlen pĂĽnktlich (lacht) und sind immer noch gute Freunde geblieben. Und auch mit den Leuten, die dort veröffentlichen, kann ich mich persönlich und musikalisch identifizieren.

Hattest du klassischen Orgel- oder Klavierunterricht?
Keyboard habe ich wirklich autodidaktisch gelernt. Hier hat mir auch der Sequencer geholfen, und meine Kenntnis von der Gitarre als Akkordwissen, also welche Noten eine Basslinie haben kann und welche nicht. Die Computersachen habe ich mir selbst aneignen mĂĽssen. Mit dem ersten Atari und dem ersten Steinberg-Programm “24 Track” habe ich angefangen, richtig computerbasiert Musik zu machen. Als Cubase rauskam, war das so eine Art Erleuchtung fĂĽr mich, weil ich ja mit dem Yamaha Computer gearbeitet hatte. Der gab jedem Pattern lediglich eine Nummer, man konnte kein Pattern benennen und er hat auch nicht angezeigt, wie lang das Pattern ist. Das musste man sich alles merken. Da habe ich mir dann DIN A4 Bögen an die Wand geklebt und ein Raster mit kleinen Kästchen draufgemalt. Und als Cubase mit dem exakt gleichen Konzept rauskam, dachte ich mir: Das ist genau mein Programm. Und seitdem arbeite ich immer noch mit Cubase VST auf dem Mac.Damals gab es wirklich keinen, der dir sagen konnte, wie man so was macht. Heutzutage schlägt man Keyboards/Keys auf und dann liest man da, welche Tools der Technoproduzent braucht. Jeder weiĂź, was eine 909 ist. Das wussten wir damals nicht. Wir hatten keine Ahnung, was das sein sollte. Wir haben von der Maschine mit der dicken Bassdrum und dem Basssynthesizer, der so abgefahren klingt, gesprochen. Ich wusste das 1989 noch nicht. Das kam erst 1990, nach viel Recherche. Ebenso wie die Idee, wie man mit 4 Sekunden Samplespeicher trotzdem einigermaĂźen klarkommt und was man mit Drumloops so alles machen kann. Das habe ich auch in Zeitschriften wie Melody Maker – wo mal eine Kolumne von Mixmaster Morris drin war – gelesen, weil die ganze Fachpresse das hier sehr lange ignoriert hat.Ich glaube, ich war der erste, der jemals einen Artikel ĂĽber Technomusik in einer deutschen Musikerzeitung ĂĽberhaupt geschrieben hat. Das war ein Artikel, wo erklärt wurde, wie Techno- und Housemusiker denken und warum sie diese Musik machen, und dass sie ein ganz anderes Verständnis von einem Keyboard haben, als es der normale Keyboarder hat. Und dass man gerade eben analoge Synthesizer haben möchte, weil die Knöpfe zum Schrauben haben.Es hat mir auch sehr geholfen, dass ich zu der Zeit mit allen maĂźgeblichen Musikern direkt sprechen konnte, z. B. Leute wie Kevin Saunderson oder Hiphop-Gruppen wie “A Tribe Called Quest” oder “De La Soul”. Solche Leute habe ich da interviewt, und es war extrem hilfreich, denn wenn das Mikrofon aus war, konnte ich noch fragen: “bei der Platte, der Trick und der Effekt, wie hast du das gemacht?”. Das war halt auch einfach noch so eine Zeit, wo noch viele Sachen unbekannt waren. Es war noch nicht alles entdeckt, wie man jetzt welchen Sound machen kann usw..Damals war auch noch viel mehr Kommunikation unter den Musikern gefragt. Das war die Zeit der Mythenbildung, wo dann die Roland TB-303 angebetet wurde, und wo dann das Sounduniversum noch nicht so ausgereizt war. Wo echt auch alle Monate noch eine neue Soundgeneration losgetreten wurde mit irgendeiner bahnbrechenden Platte, meinetwegen “Mentasm” von Joey Beltram, wo dann dieser Dominator-Sound drauf war. Und einen Monat später kamen dann bestimmt 10-20 Platten nur mit diesem Sound. Und wieder drei Monate später kam dann irgendeine neue Platte mit wieder einem neuen Sound, und dann war wieder der nächste Sound angesagt. Das war eine Zeit voller Erfindungen und Revolutionen. Und das ist irgendwie heute nicht mehr der Fall, weil die Leute mehr nach dem 08/15-Prinzip arbeiten, nach dem, was sich bewährt hat, und nicht so versuchen, der Erste zu sein, der etwas Neues bringt, der Erste, der was macht, was noch keiner gehört hat.
Gab es fĂĽr dich irgendeinen Moment im Leben, wo du gesagt hast: “Jetzt gehöre ich zu den GroĂźen in der Technoszene”?
Ich finde das immer vermessen, wenn jemand sich hinstellt und das so behauptet. Klar, gewisse Leute sind wirklich die ganz GroĂźen, aber ob ich mich dazu zählen kann, mĂĽssen andere entscheiden. Ich glaube, es entscheiden immer die anderen, wer groĂź und wer klein ist. Und wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden (lacht).Klar, fĂĽr mich war das ein flieĂźender Ăśbergang. Es war natĂĽrlich ein komischer Moment, als plötzlich die ersten Leute kamen und Autogramme haben wollten. Weil bis dahin war das irgendwie so ein Ding, dass das alles eine kleine Community war. Das waren die Leute in Berlin, die auf den ersten UFO-Parties in den Kellern in Berlin-Kreuzberg waren, das war der Kern der damaligen Szene, die immer größer wurde. Da kannten sich alle, und die kennen sich immer noch alle, nur sind die alle in anderen Positionen. Einige sind weltbekannte DJs geworden, einige leiten jetzt riesige Plattenfirmen, andere veranstalten die Love Parade, und einige machen auch gar nichts, machen ganz normale Jobs. Aber alle kennen sich, viele haben sich auch verkracht und mögen sich nicht mehr, aber man kennt sich. Das war immer so ein Familiending.Das kann man sich als Neudazugekommener gar nicht so richtig vorstellen, aber es ist etwas sehr Aufregendes, am Anfangspunkt einer Sache dabei zu sein. Du weiĂźt ja nie, ob das was wird. 1988 war Acid House ganz groĂź. Es gab groĂźe Acid-Parties und alle liefen mit Smileys rum. 1989 wurde dann erklärt, Acid und House sind jetzt langweilig und jetzt machen wir mehr Massive Attack und Downbeat. Und diese kleine Community in den Kellern in Kreuzberg hat daran geglaubt, dass das erst der Anfang war und dass es weitergehen muss. Und dann kam die Mischung aus Techno und alten Acid-House Tracks, aus harten Industrial Tracks, aus Hiphouse und aus Detroit Techno. Da wurde auch schonmal Snap mit “I’ve got the power” gespielt, das konnte man alles in einem Set spielen. Und aus diesem Ganzen, aus dieser “Ursuppe” heraus, hat sich dann in Berlin ein ziemlich harter Technosound herauskristallisiert.Wir haben das immer verglichen mit Frankfurt: FĂĽr uns war Berlin immer schmutziger, dreckiger als Frankfurt. Frankfurt haben wir assoziiert mit den glitzernden Glasscheiben der Hochhäuser. Ich glaube, es war auch fĂĽr Deutschland ein GlĂĽcksfall, dass sich Techno in verschiedenen Metropolen so unterschiedlich entwickelt hat. FĂĽr Berlin war es ein GlĂĽcksfall, dass die Mauer sich geöffnet hat. Die ganzen Leute, die dann aus dem Osten herĂĽbergespĂĽlt kamen und die einfach nur feiern wollten, die aber die Musik schon kannten, da die Musik im Westberliner Radio gespielt wurde. Sie waren wie kleine Kinder, als sie dann plötzlich in den Clubs waren, wo die Musik laut lief und nicht ĂĽber ein kleines Radio am Ohr. Es war komisch, zu merken: “Aha, jetzt steht man fĂĽr andere Leute eine Stufe höher, weil man etwas macht, was mit der Musik zu tun hat”, aber man selbst sieht sich immer noch als Teil des Urkerns.
Du bist DJ und Liveact. Wie ordnest du deine Tätigkeiten ein?
Ich habe eigentlich einen untypischen Werdegang gemacht. Zuerst bist du jemand, der tanzt, dann wird er DJ, dann produziert er vielleicht und dann geht er vielleicht live auf die BĂĽhne. Bei mir war es gerade andersrum. Ich war erst Musiker, hab dann zeitgleich mit meiner ersten Platte auch meine erste Liveperformance gemacht, und ich war damit einer der ersten Liveperformer ĂĽberhaupt in Deutschland. Ich bin dann erst 1992 auch DJ geworden, und meine DJ-Tätigkeit hat mir auch fĂĽr mein Verständnis, wie man Tracks produziert, sehr geholfen.Am Anfang waren meine Tracks alle noch sehr “musikerhaft”, voller Details. Da passierte in jedem Takt irgendetwas Kleines. Aber das war fĂĽr die Tanzfläche nicht jedes Mal förderlich, dass da in jedem Takt etwas passiert. Da muss es auch mal Passagen geben, wo einfach nur etwas knallend monoton groovend vor sich hin geht. Und dieses Verständnis fĂĽr das, was auf der Tanzfläche passiert, das habe ich im Grunde erst wirklich mit meiner DJ-Tätigkeit begriffen, erfahren und dann auch noch besser umsetzen können.
Hast du musikalische Vorbilder?
Diese Vorbilder liegen für mich ein wenig weiter zurück. Vorbilder hat man, wenn man anfängt, irgendwas zu tun. Das sind bei mir Kevin Saunderson, eigentlich war er derjenige, der für mich Techno so definiert hat, wie er eigentlich sein sollte, zumal er es geschafft hat, unter verschiedenen Projekten und Pseudonymen alle möglichen Sachen zu machen. Er hat für die damaligen Zeiten extrem harten Techno gemacht, mit Reese & Santonio oder E-Dancer oder auch klasse Popmusik mit Inner City. Er war für mich eigentlich immer der Vorbildproduzent am Ende der 80er.Livemäßig auf jeden fall Speedy J, der für mich einige der bahnbrechendsten Technostücke überhaupt geschrieben hat. Ich war ja schon dabei, meine Liveperformance-Geschichte an den Nagel zu hängen, weil ich keine Lust hatte, immer mein ganzes Studio mit mir rumzuschleppen. Dann hab ich ihn mal gesehen, wie er hier in Berlin live gespielt hat. Mit einer Roland TR-909, einer Roland TB-303, mit einem Akai S1000 und einem Mixer. Was er da gemacht hat, hat mich komplett weggeflasht, und dann war mir klar, man braucht nicht viel, mit ganz wenig kann man maximale Dinge tun, und das hat mich gestärkt. Live spielen ist für mich auch wichtig, da hat man ganz andere Kontrolle und Intensität als wenn man nur auflegt.
… auf das Publikum einzugehen?
Ja, es ist fĂĽr mich mehr Adrenalin drin. Wenn ich live spiele, bin ich wirklich komplett in der Musik drin. Bei mir laufen dann immer Loops am Mischpult, die ich mit Mutes und Pattern umschalte, und bei denen ich Variationen der einzelnen Sounds gestalte. Wenn ich nichts mache, dann passiert auch nichts. Hände weg und die Musik verändert sich, das geht bei mir eigentlich nur bei Bridges, die ich so erstelle, weil sie so kommen mĂĽssen, wie sie sein sollen. Da sprechen wir von 16-32 Takten. Aber normalerweise laufen bei mir immer Patterns, wo ich dann jederzeit den Ablauf komplett umwerfen kann.Das ist mir auch beim live spielen wichtig, dass man da wirklich auch auf’s Publikum eingehen kann. Wenn ich merke, dass das Publikum auf einen Sound tierisch abfährt, dann wird dieser Sound gefeatured wie die Hölle, und wenn ich merke, da genĂĽgt diese Bassdrum, dann kann man mit der Bassdrum rumspielen. Diese ganzen Sachen gehen mit Platten halt nicht.
Welche Musik hörst du privat?
Schwierig. Ich höre zuhause gerne entspannte elektronische Musik. Es gibt Ambient-Downbeat Geschichten, die absolut Klasse sind. Viel alte Funkmusik, und natürlich die ganzen neuen Promos.
Nach zahlreichen Veröffentlichungen auf Superstition und MFS hast du auch die Playstation-Spiele “Ghost in the Shell” und “Ridge Racer” mit einem Soundtrack unterlegt. Wie kam es dazu?
“Ghost in the Shell” war das erste. Das hatte sehr stark mit meinen ersten Aufenthalten in Japan zu tun. Ich war auch schon, bevor ich nach Japan gegangen bin, ziemlich groĂźer Manga- und Anime-Fan. Mein Lieblingsmangaautor ist Masamune Shirow, der auch “Ghost in the Shell” gemacht hat, was gerade zu der Zeit in Englisch verfĂĽgbar war. Meine ganzen Freunde in Japan, also Takkyu Ishino, Toby Izui und die Leute von Frogman Records wussten alle, dass ich ein absoluter Hardcorefan bin, und als dann Takkyu Ishino von Sony den Auftrag bekam, fĂĽr ein Videospiel von “Ghost in the Shell” den Soundtrack zusammenzustellen, hat er alle möglichen Produzenten angesprochen, ob die einen Track dafĂĽr beisteuern möchten. Und da er wusste, dass ich absoluter Fan von dem Buch und von dem Film bin, hat er mich auch gefragt, und das war dann diese Japan-Verbindung.Daraufhin haben die auch eine Compilation rausgebracht, die sich in Japan glaube ich doppelt so oft verkauft hat wie das Spiel selbst. Die Compilation hat man in Deutschland irgendwie nie gesehen, und wenn, dann hat man die im Soundtrack-Fach gefunden, was schade ist, denn da sind exklusive Tracks von Acts wie The Advent, Claude Young, CJ Bolland, Westbam, und natĂĽrlich Takkyu Ishino drauf, also eine absolut geniale Compilation. Und weil diese Platte sogar in den japanischen LP-Charts als erste Technoproduktion ĂĽberhaupt ziemlich oben lief, haben dann auch die anderen Firmen das mitbekommen. Auch war es zu der Zeit in Japan so, dass die Elektronische Musik immer mehr im öffentlichen Leben Einfluss fand und auch andere Gameproduzenten gerne solche Musik in ihren Spielen haben wollten.Ich habe dann noch beim Playstation 1 Spiel “Beat Planet Music” mitgewirkt. Das ist ein Spiel, wo man Patterns einsammelt und damit neue Sequenzen kreiert. Da habe ich mit Toby Izui aus Japan beratend mitgewirkt und als dann die Playstation 2 rauskam, wurde ĂĽber Sony Japan – fĂĽr die damals von mir LPs veröffentlicht wurden – von Namco angefragt, ob ich fĂĽr Ridge Racer 5 nicht einige Tracks beisteuern wĂĽrde. Ich habe in Japan auch oft Interviews fĂĽr Gamemagazine gegeben, und bei meinen Favoriten war auch immer Armored Core 2, ein Roboterspiel dabei. Ich habe dann meinen Leuten bei Sony Japan gesagt, wenn ihr mal hört, dass die ‘nen neuen Soundtrack machen wollen, dann sollen sie mich sofort anrufen. Und prompt kam dann auch die Anfrage, weil gerade die Umsetzung fĂĽr die Playstation 2 anstand, ob ich da mir vorstellen könnte, den Titelsong zu schreiben. Das war dann die letzte Geschichte. Es waren also immer Kontakte mit Sony Japan direkt, nie ĂĽber Sony Playstation Deutschland.
Und dann hast du noch Soundtracks fĂĽr ein paar Filme geschrieben, z. B. “Kiss my Blood” und “Femme” …
Ja, das sind wahrscheinlich Filme, die kaum einer kennt. “Kiss my Blood” war eine Abschlussarbeit fĂĽr eine Filmhochschule von einem Regisseur, den ich kenne, und der hat einige Leute gefragt, ob sie ihm da irgendwie einen Soundtrack beisteuern können. Dr. Walker war auch dabei, und auch Oskar Sala.Oskar Sala war der deutsche Elektronikpionier. Er war der einzige Mensch dieses Planeten, der ein Instrument namens Mixturtrautonium bedienen, reparieren und wenn er noch leben wĂĽrde, auch noch bauen könnte. Er hat damals Soundtracks fĂĽr z. B. “Die Vögel” von Alfred Hitchcock gemacht. Er hat alle möglichen Filme auf seinem Instrument vertont, das Klänge erzeugt, die auch immer noch von keinem anderen Instrument erzeugt werden können. Soviel ich weiĂź, hat sich die Firma Doepfer noch kĂĽrzlich damit beschäftigt, die einzelnen Klangmodule in Zusammenarbeit mit Oskar Sala in einer einigermaĂźen erschwinglichen Form noch mal neu zu kreieren, um sie in das Doepfer Modulsystem einbauen zu können, so dass dieser Sound nicht verloren geht. Oskar Sala hat dieses ganze Wissen mit ins Grab genommen. Es gibt keinen Menschen, der dieses Instrument noch spielen kann, denn das ist kein Computer oder Synthesizer, sondern ein Teil aus Holz, Stahl und Elektronik. Ein Riesenschiff, das auch fragil einzustellen ist und das man auch spielen können muss.Ich habe dann zwei Szenen illustriert, das war auch eine Geschichte, fĂĽr die es kein Geld gab. “Femme” ist ein Kurzfilm, der ein paar Preise auf Kurzfilmfestivals gewonnen hat. Dazu habe ich dann auch die komplette Musik beigesteuert. Das ist auch kein Soundtrack, der unbedingt technoid klingt, weil bei Soundtracks fĂĽr Filme geht es nicht darum, dass ich mein Ego irgendwie abbilde, sondern dass die Szene optimal musikalisch repräsentiert wird. Das ist etwas, was ich mir fĂĽr die Zukunft gut vorstellen kann. Zur Zeit bin ich aber eher daran interessiert, Musik zu machen, wo ich selbst keine Auflagen habe, sondern wo ich ausdrĂĽcken kann, was ich gut finde.
Du hast auch mit vielen anderen Künstlern zusammengearbeitet, z. B. mit Rob Acid und DJ Hell. Erzähl uns doch ein wenig über deine Tätigkeit als Co- Produzent und Remixer.
Der erste, mit dem ich gearbeitet habe, war Tanith, der zu der Zeit noch keine Instrumente bedienen konnte. Aber er war im Kopf so weit, dass er genau sagen konnte, genau musikalisch denken konnte, was wo hin muss, wie das klingen soll, wie das funktionieren muss, also der im Grunde alles im Kopf schon fertig hatte und mit dem ich dann die Sachen zusammen ausgearbeitet habe. Es ist mir auch lieber, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die genau wissen, was sie wollen.Die Phase, in der ich die meisten Co-Produktionen gemacht habe, das war eigentlich fĂĽr das Teamwork-Album. Kurz bevor ich mit dem Album anfing, habe ich mit vielen Leuten gesprochen, “wir mĂĽssen mal was zusammen machen”, aber dann dachte ich mir, das wird ja nie was, wenn ich erst mein Album mache, das dauert ja ewig, bis ich dann dazu komme, diese Kooperationen wahrzunehmen. Aber dann dachte ich: “Hey, machen wir das doch zum Konzept des nächsten Albums, ein oder zwei StĂĽcke zu produzieren”. Da waren dann Leite dabei wie Humate, Thomas Schumacher, Claude Young, Tobynation, Quazar und Hannes Talirz, mit dem ich meine ersten Instrumente zusammen gekauft und geteilt hatte.Wenn man alleine vor einem StĂĽck sitzt, dann geht das manchmal ganz schnell, manchmal hat man aber auch das GefĂĽhl, hier muss man noch was machen und da, dann dreht man alles um und landet da, wo man eigentlich gar nicht hinwollte. Mit zwei Leuten zusammen zu arbeiten, wo jeder macht und tut und sich einbringen will … wenn das nicht kontraproduktiv läuft, sondern man sich die Bälle zuspielt, kommt da eigentlich auch sehr oft was Gutes bei raus.
Die Diskussion um Kommerz und Underground ist dir bestimmt nicht fremd. Wie stehst du dazu?
Darum heißt das Album ja auch Everyground. Die ganze Diskussion um Overground und Underground führt für mich an der Sache vorbei. Overground ist eigentlich nur noch ein Schimpfwort geworden, Underground ist eine Bezeichnung dafür, dass man etwas macht, was cool ist, aber was an Underground teilweise so verkauft wird, ist kein Underground mehr, sondern ein komplett durchgeplantes Produkt. Underground finde ich als Diskussionspunkt ein wenig überholt. Deshalb auch Everyground, weil ich nicht weiß, wo Underground und wo Overground ist. Everyground ist Musik für jeden, der es mag. Wenn mir ein Stück gefällt, dann spiele ich es einfach, wenn es in die Situation, in der ich dann als DJ stehe, passt. Das ist eine sehr wichtige Geschichte für mich. Es macht als DJ keinen Sinn, im Club zu stehen und seinen Stiefel runterzuspielen, seine Platten so durchnummeriert herauszuziehen und draufzuknallen, weil man weiß, es klappt irgendwie, sondern man muss instinktiv auf das, was bei den Leuten passiert, reagieren. Und manchmal kann ein Overground-Stück in einem Underground-Set unheimlich genial und geil klingen, weil es in einen anderen Kontext gesetzt wird, und da dann eben ganz anders wirkt, als wenn man es in Radio zwischen den ganzen Popmusikstücken hört. Ich mag diese Diskussion nicht mehr.
Kommen wir zum Studio und zur Musikproduktion. Wie fängst du an, wenn du ein neues Stück produzierst? Arbeitest du eher mit Hardware oder mit Software?
Da ich ja vom Atari komme, fange ich normalerweise meistens mit Cubase an. Der Ausgangspunkt ist dann ein Groove oder ein Sound. Sounds können Dinge sein, die mir beim Programmieren von Synthesizern oder bei Akkordfolgen auffallen. Ich habe auch, während ich das Everyground-Album gemacht habe, eine Menge Ambient-Stücke gemacht, wenn ich auf der Suche nach irgendetwas flächigem meine Geräte befragt habe. Also Sounds können ein guter Ausgangspunkt sein, Sounds, die man im Sampler zurechtschleift. Was ich gerne mache ist, wenn man von irgendeiner Platte oder aus dem Fernsehen einen Sound rausextrahiert und dann bearbeitet und daraus irgendeinen Akkord schnitzt, der in der Bearbeitung komplett anders klingt als das Originalmaterial. Für mich ist das auch ganz wichtig. Bevor ich einen Sound in einem Stück erlaube, muss ermein Sound geworden sein. Das hat natürlich auch mit Urheberrecht zu tun, aber vor allem auch damit, dass es mein Sound geworden ist, weil ich ihn soweit bearbeitet habe, dass er wirklich personalisiert worden ist. Mittlerweile bieten Sampler ja auch beste Möglichkeiten, um Sounds und auch Grooves völlig zu verändern und dann als eigenständiges Material in ein Stück einzubauen.
Du spielst auch oft live, wie sieht hier deine Arbeitsweise aus?
So oft spiele ich gar nicht mehr live. Ich spiele eigentlich nur noch live, wenn es eine Tour gibt, so wie jetzt, oder bei groĂźen Events wie Nature One oder Mayday. Das sieht dann so aus, dass ich meine Tracks in mein Liveequipment ĂĽbersetze. Als Sampler und Sequencer habe ich den RS7000 von Yamaha, der alle Sequenzen und Samples beinhaltet. Die werden da als Patterns organisiert und steuern dann noch einen Access Virus Indigo an. Das sind dann die beiden Hauptklangquellen, die ich dann dabei habe. Dann noch ein Mischpult, zwei Effekte, und fĂĽr die Stimme noch ein Boss VT1.Ich finde es wichtig, alles ein wenig sportlich am Start zu haben. Ich denke da an einen Liveact von einem bekannten ausländischen Kollegen, den ich auf einem Open Air in Deutschland gesehen habe. Der hatte Tonnen von Equipment dabei, ein Riesenpult, und letztendlich hatte er dann auch tierisch rumgeschraubt, aber alles kam nur von zwei 8-Track Digitalrekordern, die unter dem Mischpult standen. Das ist zwar plausibler und besser, als wenn nur alles von DAT kommt, aber fĂĽr mich sind die Liveacts eigentlich die geilsten, wenn jemand hinkommt, aufbaut und losspielt und auch mit dem Publikum, mit sich selbst und mit den Geräten spielt. Richard Bartz macht das auf jeden Fall sehr geil, Rob Acid macht das supergeil – das sind die beiden, Hut ab. Die machen den Liveact genau so, wie er sein sollte. Wenig Equipment, viel bewirken.
Was ist dein derzeitiges Lieblingsgerät?
Da ich jetzt gerade meine Livetour mache und mich mit der [Yamaha] RS7000 viel befasse, ist das wahrscheinlich derzeit wirklich mein Lieblingsgerät, das ist eigentlich eine Kiste, die für mich alles hat, was ein Hardwaresequencer haben muss, es ist alles drin, was ich mir wünsche. Das hat auch ein wenig damit zu tun, dass ich von den Entwicklern aus Japan öfters konsultiert wurde und ein paar Vorschläge abgegeben habe, was noch reinkönnte und einige sind sogar eingeflossen. Das ist dann toll, wenn man Tipps geben kann, die einem am Herzen liegen und das ist dann toll, wenn man die im Produkt wiederfindet. Er ist für mich der perfekte Livesequencer geworden.Andererseits muss man auch sagen, dass Software wie Reason oder Ableton live für die Leute, die rein auf dem PC Musik machen, eine Offenbarung sein muss, um mit relativ preiswerten Tools professionell arbeiten zu können. Wenn man sich 1988-1989 entschlossen hatte, House und Techno machen zu wollen, war dann die Frage: kaufst du dir jetzt ein neues Auto oder kaufst du dir neues Equipment? Oder du hast dann lange Sammeln und Sparen müssen. Das ist auch der Grund, warum ich so viele Kisten im Studio stehen habe, weil ich mich von keiner trennen kann. Prinzipiell kann man heute am PC mit einer Software wie Reason schon loslegen, das ist wohl ein weiterer Schritt zur Demokratisierung von Musik. Jetzt gibt es eigentlich für niemanden da draußen mehr eine Entschuldigung, dass er keine Elektronische Musik machen könnte, weil er es sich nicht leisten könnte. Es ist dann immer auch die Frage, ob man es wirklich kann, ob man es drauf hat oder nicht.
Wie sehen deine musikalischen Pläne für die nächsten Jahre aus?
Jahre voraus plane ich nicht. Ich habe gerade erst eine Produktion gemacht, die finde ich ganz spannend, das ist ein Projekt aus unserem Hamburger Studio. Die haben die Rechte erwirkt, mit dem gesprochenen Material von Klaus Kinski StĂĽcke anfertigen zu lassen, und haben elektronische Musikproduzenten verschiedenster Couleur befragt, da irgendwie dran mitzuwirken. Das sind Leute wie Oliver Lieb, Thomas D von den Fantastischen Vier, oder Sash und Neutronic, die in den 80er Jahren Electronic Pop gemacht haben, die haben alle mit Klaus Kinski’s Vocals aus der Jesus Christi Erlöser Tour, die er in den 70ern gemacht hat, gearbeitet. Er stand damals auf der BĂĽhne und hat die Passionsgeschichte in seinen eigenen Worten wiedergegeben. Dazu habe ich auch ein StĂĽck mit seinem Text und mit seiner Stimme gemacht. Das kommt in den nächsten Wochen oder Monaten raus. AuĂźerdem sitze ich an dem Ambient-Album, das im Herbst kommen könnte. Ansonsten weiĂź ich es gar nicht, nachdem das Album soweit fertig ist. Keine konkreten Pläne, nur viele Ideen, die im Kopf herumschwirren, die drauf warten, umgesetzt zu werden.
Gibt es ein Motto, dass du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
Das Leben findet jetzt statt und nicht in der Zukunft, und man sollte nicht seine Träume in die Zukunft verlegen, sondern man sollte versuchen, sie jetzt zu erleben, denn wenn man sie verschiebt, dann wird man sie niemals ausleben können.
Vielen Dank, Mijk.
Das Interview führte Timo Hummel im März 2002.Equipment Mijk van Dijk: 
Virus Indigo, RS7000, Dx200, Pioneer EFX500, VT1, Pocket Fader, Mackie 1202, Kaosspad, SU700, Yamaha CS1x, Juno 106, Prophecy, EF303, Korg Electribe R+S, SPD11, SU200, JD500, Alesis Compressor 3830, Denon DP-DJ150, Sony MDS-JE530, A5000, FS1R, MU80, Orbit, TX81Z, Vintage Keys, ASR10, Alesis Datadisk, MAV8, DMS Studio 4, Akai me80p, Jp-8080, Waldorf pulse, Regelwerk, Mackie 3204, Tascam da-302, Motu 2408, Xbase09, An200, Nord lead, 909, 808, yamaha spx900, roland sde330, boss se-70, boss se-50, quadraverb, mam rs3, digitech studio quad, mam vf11, nanoverb, microverb, microgate, alesis wedge, mackie sr32-8, ultra-curve, da-30 mk2, tc finalizer 96k, mindprint t-comp, spl vitalizer 2, behringer denoiser, behringer composer, tannoy pbm8, yamaha ns10mm, spendor qt100, cr78, sh101, ppc7600 g3 beschleuniger, 2 monitore, drehbank, juno 60.

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