redglassesguyMijk wrote an article about the “stone age” of Techno in Berlin for the online version of German renowned news magazine “Der Spiegel”. Dive into the foundation years of our music. Unfortunately only in German…

Harte Beats in herrenlosen Bunkern: Die erste Partys waren improvisiert und streng geheim, hier kreierte ein kleiner Kreis den Sound der Neunziger – Techno. Mijk van Dijk, DJ und Techno-Pionier, war von Anfang an dabei – und erinnert sich an Smileys, Erdbeernebel und durchtanzte Nächte im UFO.

Wann ging Techno eigentlich richtig los? 1985, mit dem wegweisenden Track “No UFOs” von Juan Atkins aus Detroit? 1988, mit der neuen Partykultur von Acid-House? 1989, als die erste Love Parade stattfand? 1990, als die Mauer weg war, die Ostkids unsere Musik entdeckten und sich wunderbare neue Locations im rechtlichen Niemandsland zwischen Ost und West auftaten? Oder 1991, als der “Tresor” öffnete und die erste Mayday stattfand?

Die ersten Jahre von Techno schienen sich wie ein Zeit-Raum-Kontinuum zu dehnen, so viele neue Eindrücke, so viele neue Klänge. Die letzte Dekade des alten Jahrtausends stand vor der Tür, das Jahr 2000 schien wie eine Verheißung für den Übergang in eine bessere Welt. Die Mauer war weg, staunend verfolgten wir Anfang 1990, wie die DDR fast im Zeitraffer abgewickelt wurde, ungläubig feierten wir Partys in verlassenen NVA-Bunkern und Industrieanlagen des Ostens. Für ein halbes Jahr schien ein Utopia möglich.

Mitte der achtziger Jahre dagegen war Berlin noch trist und öde. Die Stadt trauerte ihrer vibrierenden Punk- und Wave-Szene nach. Erste Hilfe kam in Form von Musik: “Pump Up The Volume” hörte ich zum ersten Mal im Grex, einem kleinen Tanzschuppen in Kreuzberg 36. Ebenso erste Chicago-House-Tracks sowie Musik von Anne Clark oder den 400 Blows. Dann kam Acid – und es wurde in Berlin mit offenen Armen empfangen.

Erdbeernebel, Stroboskopblitze und, na klar: Trillerpfeifen

Acid-House wirbelte die Ausgehkultur gehörig durcheinander: Man wollte tanzen und nicht mit einem Longdrink cool in der Ecke rum stehen. Man wĂĽrde schwitzen, deshalb war der Dresscode funktional: Baggy Jeans, weites T-Shirt, evtl. mit Smiley drauf, vielleicht auch ein Hals- oder Kopftuch oder eine Basecap und los ging’s. Dazu legten DJs wie Dr.Motte, Jonzon oder MC Schäumer den pumpenden neuen Sound auf. Eine meiner ersten Acidpartys fand in der Turbine Rosenheim in Schöneberg statt, Motte legte auf, in dem kleinen Lokal passten vielleicht gerade mal zehn Leute auf die Tanzfläche, aber kaum war sie mit Nebel gefĂĽllt und mit Stroboskopen grell befeuert, fĂĽhlte man sich wie in einem riesigen weiĂźen Raum, allein mit der Musik und allen anderen. Setzte der Beat mal aus, erschallten die Trillerpfeifen, Arme wedelten in der Luft, “typische Nebelstelle” wĂĽrde man dazu später sagen. Paffend blies die Nebelmaschine noch mehr nach Erdbeeren duftende Wolken zwischen die Tänzer, und weiter ging’s.

Acid-House war enorm wichtig für die Berliner Szene, denn von 1988 bis 1989 fanden hier alle zusammen: die Coolen (denn Acid war Avantgarde), die Schwulen (denn Acid befeuerte die schwule Disco-Kultur mit den dringend benötigten frischen Impulsen) und das ganz normale Ausgehvolk, denn Acid war angesagt. Und wir alle lernten ekstatischen Tanz kennen.

1989 aber schien der SpaĂź schon wieder vorbei: Acid war zu flach, zu bunt, zu improvisiert, und spätestens als sich die “Bravo” des Themas angenommen hatte, war Acid als Trend durch. Nur eine kleine Szene machte weiter.

Die erste Club-Institution war das UFO, ein illegaler Kellerclub in der Köpenicker Straße in Kreuzberg, betrieben von Dimitri Hegemann und Achim Kohlberger. Natürlich hing draußen kein Schild. Man kannte das Wohnhaus, in das man gehen musste, man kannte die Tür, an die man klopfen musste, man kannte die Person, die einen empfing, und kletterte durch eine Luke eine schmale Leiter hinunter in einen dunklen, flachen, muffigen Keller. In den Ecken türmten sich die zusammengefegten Schutthaufen, davor stand eine aus Getränkekästen improvisierte Bar und hinter einer durchschlagenen Wand stand der DJ, Jonzon oder Rok, Motte oder Kid Paul, der 13-jährige Wonderboy der Szene. Wir waren nicht viele dort, aber es war der Kern einer Szene, die kurz davor stand, in die Welt hinaus zu explodieren. Wahrscheinlich wurde locker die Hälfte aller UFO-Besucher zu Protagonisten der später boomenden Techno-Szene, sei es als DJ, Produzent, Veranstalter, Booker, Journalist oder Designer.

Geheimcodes für die nächste Party-Location

Im Sommer 1989 fand die erste Love Parade statt, die Afterparty dazu gab’s natĂĽrlich im UFO. Als ich morgens ins Freie trat, war die Welt wie verändert: WeiĂźer frischer Schnee bedeckte die StraĂźe, und meine Schuhe prägten die ersten Spuren auf die unbetretene Fläche. Welch ein Kontrast zu dem dunklen schmutzigen Keller, dem ich gerade entstiegen war. Und welche Parallele: Ich fĂĽhlte, dass ich Neuland betrat. Vor mir wartete eine neue Welt darauf, dass ich meine Spuren hinterlieĂź, dass ich als erster Sounds kreieren sollte, die noch niemand zuvor gehört hatte.

Es gab ĂĽbrigens auch UFO-Partys an anderen Orten. Und Monika Dietl sagte uns ĂĽbers Radio, wo das UFO diese Nacht landen wĂĽrde. Nicht StraĂźennamen und Hausnummer, sondern verklausuliert, geheimnisvoll, nur fĂĽr Eingeweihte verständlich. Ihre zweistĂĽndige Radiosendung “The Big Beat” Samstag abends um 8 auf dem SFB-Jugendsender “Radio 4 U” war unglaublich einflussreich. Auch im Ostteil der Stadt hingen Leute am Radio, wenn Moni D. moderierte, und verliebten sich in die Musik, die sie spielte.

Ende 1989 hatte der UFO-Club in der Schöneberger GroĂźgörschenstraĂźe endlich eine offizielle Location gefunden, in einem ehemaligen Penny-Markt. 1990 etablierte DJ Tanith jeden Mittwoch hier seinen “Cyberspace-Club”. Tanith interessierte sich fĂĽr Cyberpunk und die Literatur von William Gibson. Auf den Plakaten, die Tanith ĂĽberall im Berliner Westen verklebte, sah er aus wie ein Marvel-Superheld, ein harter Schatten eines DJs mit einer Platte statt einer Waffe in der Hand. Tanith lief immer, ich betone: immer, in martialischen Camouflage-Tarnklamotten herum, seine ganze Erscheinung war beeindruckend. Mit seiner kantigen Optik, seiner harten Musik und dem Totenschädel-Logo aus den “Punisher”-Comics auf seinen Artworks wirkte er tatsächlich wie der Prototyp eines DJ’s, wie Frank Miller ihn gezeichnet hätte.

Nach dem Mauerfall sofort in den Techno-Club

Mein Weg vom Studio nach Hause führte auch stets am UFO vorbei, und so besuchte ich Tanith fast jede Woche im Cyberspace und erlebte mit, wie sein Abend immer beliebter wurde. Irgendwann tauchte auch Wolle Neugebauer dort auf. Der Ostberliner arbeitete im Sport- und Erholungszentrum SEZ und hatte dort schon vor der Maueröffnung die erste House-Party des Ostens veranstaltet. Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, fuhr Wolle sofort rüber ins UFO.

Schon bald veranstaltete er einige vereinzelte Partys, bis er im April 1990 die erste Tekknozid-Party machte. Tekknozid sollte eine Legende werden: Hier war alles auf maximale Tanzekstase ausgelegt, Locations wie ehemalige DDR-Jugendclubs wurden komplett verdunkelt, die Lichteffekte waren auf Stroboskope und vereinzelte Projektionen beschränkt, liebevoll wurden mit präparierten Dia-Projektoren Laser-Effekte nachgeahmt, dazu wurde stets Nebel in den Raum geblasen.

Die Resident-DJs waren Tanith und Roland BPM, einer der nicht so häufig besungenen Helden der frĂĽhen Techno-Jahre. Roland May war ein unglaublich liebenswĂĽrdiger, schĂĽchterner Junge aus dem Wedding. Total auf die Musik fixiert, lagen ihm StarallĂĽren völlig fern, und er konzentrierte sich auf das, was er am besten konnte: mixen. In der FrĂĽhphase von Techno gab es nur wenige DJ’s, die längere saubere Ăśbergänge zwischen zwei Platten mischen konnten, meist galoppierten die Beats dann doch schnell nach ein- bis zwei Takten auseinander, und der Crossfader musste fĂĽr einen raschen Cut bemĂĽht werden. Roland dagegen war ein Mix-Gott, der unterschiedlichste Beats rumpelfrei ĂĽbereinanderlegen konnte.

Während sich Tanith durch immer härtere und krassere Sets schnell den Ruf erspielte, der “härteste DJ der Welt” zu sein, galt Roland BPM bei uns als der Schnellste. Nicht nur im Einpitchen der Platten war er flott, auch die Beats-per-Minute-Zahl seiner Sets wurde schneller und schneller. Mangelnder Geschäftssinn verhinderte leider, dass Roland BPM so groĂź herauskam, wie er es verdient hätte. Andere DJs wurden zu Stars, und er blieb zurĂĽck.

TagsĂĽber Fotokopien verkaufen, abends Hits produzieren

Zu jener Zeit jobbte ich in einem Schöneberger Kopierladen. Wolle kam öfters vorbei, um bei mir die Tekknozid-Flyer und Plakate herzustellen. Mit mir hinter der Theke stand Steve Naghavi, damals wie heute der Kopf der EBM-Band “And One”. TagsĂĽber verkauften wir Fotokopien, nachts ging’s ins Studio: das Hinterzimmer eines Ladens fĂĽr Fallschirmspringerbedarf, in dem eine bunt zusammengekaufte und geborgte Ansammlung von Geräten verkabelt war. Ich teilte mir das Studio mit meinem Freund Hannes Talirz. Dort entstanden meine ersten Veröffentlichungen auf Low Spirit und Bash, die ersten Kollaborationen mit DJ Hell und 1993 auch “Schöneberg”, der größte Hit meines Projekts Marmion mit Marcos LĂłpez.

Es war eine unvergleichliche Zeit: Obwohl wir gerade erst das Musikmachen lernten, waren wir sofort die Spitze der Avantgarde. Ein wenig vergleichbar mit Punk, wo auch schon drei geschrammelte Akkorde genügen konnten, um andere hochbegabte Musiker im Publikumsinteresse hinter sich zu lassen. Vor allem war das Equipment erschwinglich: Sampler, diese Wundermaschinen, mit denen man jeden Sound aufnehmen und immer wieder abspielen konnte, wurden plötzlich für normale Menschen bezahlbar. Analoge Synthesizer wurden second hand für wenige hundert Mark verkauft, weil die übrige Welt plötzlich digitale Synthesizer haben wollte. Mit dem Atari-Computer konnte man all diese Geräte wie ein großes Maschinen-Orchester dirigieren und arrangieren. Wir konnten so alleine die Musik machen, die uns gefiel, ohne Vorgabe einer großen Plattenfirma, sondern direkt für eines der vielen kleinen Labels, die in den neunziger Jahren bald überall im Lande aufkeimten.

Anfang 1991 brachte auch das Ende des UFO. Die Abschlussparty erschien mir wie das Ende einer Ă„ra. Techno als Musik war natĂĽrlich nicht mehr wegzudenken, aber mit dem UFO verschwand ein geliebter Ort, der erste feste Club fĂĽr unsere Musik. Schnell sprach sich herum, dass Dimitri Hegemann schon in wenigen Wochen am Leipziger Platz seinen neuen Club namens “Tresor” eröffnen wĂĽrde, GerĂĽchte von einer unglaublich tollen Location machten die Runde, aber in der kurzen Zeit zwischen UFO-SchlieĂźung und “Tresor”-Eröffnung schien mir das ganze Techno-Ding auf Messers Schneide zu stehen. Wurde Acid-House nicht ähnlich schnell abgesägt und zu Grabe getragen?

Zuckende Körper hinter dicken Stahltüren

Als der “Tresor” dann aber eröffnete, wurde Techno neu definiert. Der “Tresor” war der ideale Ort, um alle Cyberpunk-Outlaw-Anarcho-Phantasien neu zu befeuern. Die Location schien alles zu verkörpern, was uns an Techno faszinierte: Härte, Autonomie, Euphorie. Schon der Weg durch den langen Gang in den Keller erschien wie der Ăśbergang von einer Welt in die andere. Je tiefer man eindrang, desto wärmer und feuchter wurde es und die Musik lauter und intensiver, die alten Mauern erzitterten unter der Wucht der Bässe, das Kondenswasser tropfte von der Decke. Hinter der dicken StahltĂĽr zuckten die Körper zum Beat der Platten, die der DJ mischte. Der “Tresor” selbst war tatsächlich die unterirdische Stahlkammer des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses.

Tanith war sofort einer der Resident DJs, neben Jonzon und Rok, dem Chefeinkäufer von Hardwax, dem einflussreichsten Plattenladen der Stadt. Mit ihnen am Mischpult wurde der “Tresor” sofort ein voller Erfolg. Hinzu kam, dass er im Osten Berlins lag – denn der Osten war heiĂź. Gerade in der Nähe der ehemaligen Grenze fanden sich viele Locations, die ohne groĂźe Probleme fĂĽr spontane illegale Partys genutzt werden konnten. Legendär die ersten Partys im E-Werk an der WilhelmstraĂźe, die nur per Mund-zu-Mund-Propaganda beworben wurden: In der Schaltzentrale mit ihren groĂźen Hebeln und Schaltern und Anzeigeinstrumenten, wie aus einem Fritz-Lang-Film, auf den riesigen Konsolen die Turntables, dahinter Kid Paul und Rok, und wir tanzten durch den Erdbeernebel.

Immer mehr Kids aus dem Osten kamen zu Techno-Partys, hatten durch Tekknozid den Sound und den Spirit kennengelernt und fanden nun im “Tresor” den Club fĂĽr ihre Musik. Sie brachten auch ein neues Element in die immer noch sehr avantgardistisch denkende Szene der Macher: Den unbedingten Willen, sich nach einer langen Jugend der Drangsalisierung durch den SED-Staat endlich komplett austoben zu wollen. Der Fall der Mauer brachte Berlin die Energie der Kids, die Faszination der vielen brachliegenden Locations, das Moment des Unberechenbaren. Ich glaube nicht, dass Techno ohne den Fall der Mauer so hätte boomen können.

Vorbei die familiäre Zeit

Das hedonistisch orientierte Feiervolk, aber vor allem die schwule Szene zog das “Planet” dem “Tresor” vor. Im “Planet” gab es eine viel wärmere Atmosphäre, die maĂźgeblich durch die verspielten Dekorationen und Installationen von Stress-Jets Mitglied Elsa For Toys bestimmt wurde. DJs wie Dr. Motte, Kid Paul, Disco, Terrible und ClĂ© legten housigere Sounds auf. Es war aber auch ĂĽberhaupt kein Widerspruch, eine Nacht im “Tresor” zu beginnen, später bei Sonnenaufgang in den an der Spree gelegenen “Planet” zu wechseln und sich später noch auf einer privaten Afterhour wiederzufinden, bevor man dann am Sonntag auf dem schwulen Gay T-Dance im Metropol (heute Goya) oder Quartier Latin (dem heutigen Wintergarten) das Wochenende ausklingen lieĂź.

Ende 1991 waren die Pioniertage dann aber auch schon fast vorbei. Mit der Love Parade und der Mayday hatte Techno plötzlich zwei Großveranstaltungen, die innerhalb kürzester Zeit regelrecht explodieren sollten. Mit dem einsetzenden DJ-Star-Kult, dem Aufkommen von immer mehr Clubs und Labels und der Begleitung durch Medien wie dem immer einflussreicheren Frontpage-Magazin floss plötzlich Geld in die Szene. Erste Sponsoren entdeckten die vergnügungssüchtige und auch leider immer unkritischere Techno-Gemeinde als Zielgruppe. Neid und Missgunst hielten Einzug, Vereinahmung und Ausgrenzung wurden zu gängigen Mechanismen des Technobetriebs, auch wenn über allem immer noch der Anspruch einer großen, einigen Familie hochgehalten wurde.

Die GrĂĽnderjahre waren vorbei, die Infrastruktur vorhanden, die Unschuld auch schon ein wenig verloren, und Techno ging in Phase zwei ĂĽber: die Konsolidierung. An der Love Parade 1992 nahmen dann erstmals auch Wagen aus anderen Städten teil, es kam zum ersten groĂźen Zusammentreffen der deutschen Szenen, wir entdeckten uns gegenseitig und sahen, dass wir alle zusammengehörten. 1992 wurden die Partys größer, eine melodische Techno-Variante namens “Trance” entstand – aber das ist eigentlich schon wieder eine andere Geschichte.

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